Samuel J.: „Ich mache im Berufsbildungswerk (BBW) der Stiftung ICP München eine Ausbildung zum Fachpraktiker Zerspanungsmechanik und bin im letzten Lehrjahr. Mit 3 Jahren wurde bei mir die Epilepsie durch Ärzte festgestellt. Normalerweise merke ich ca. 10 – 15 Sekunden vorher, dass sich ein Anfall ankündigt. Das ist kein schönes Gefühl, meistens rufe ich dann laut und versuche, mich soweit es geht zu entspannen bzw. mich auf den Anfall vorzubereiten. Bei einem epileptischen Anfall verkrampft sich mein ganzer Körper, mein Kopf schlägt nach hinten und meine Augen verdrehen sich und ich entwickle immense Kräfte. Nach einem Anfall bin ich dann immer völlig ausgelaugt. Während eines Anfalls hilft es mir, wenn die helfende Person mir ihren Namen nennt und versucht, mich zu beruhigen. Es ist wichtig, dass er/sie im Hinterkopf hat, dass ich meine Muskeln nicht kontrollieren kann und dabei ziemliche Kräfte entwickle. Meinem Bruder habe ich bei einem solchen Anfall schon einmal die Hand gebrochen.
Wir haben seit der Diagnose viele unterschiedliche Medikamente ausprobiert, die bei mir aber leider Nebenwirkungen hatten. Doch vor ca. 8 – 9 Jahren haben wir zum Glück Medikamente gefunden, mit denen ich gut zurechtkomme. Ich versuche mich seitdem mit der Epilepsie zu arrangieren und muss daran denken, die Medikamente sehr regelmäßig zu nehmen. Mittlerweile weiß ich, dass z.B. das Wetter, Stress oder körperliche Anstrengung einen Anfall begünstigen können und achte bewusst auf meinen Körper. Ich habe mich für die Ausbildung im Metallbereich entschieden, da ich es sehr spannend finde, die unterschiedlichen Formen der Werkstücke zu bearbeiten und die vielen verschiedenen Maschinen zu bedienen. Meine Anfälle kommen meist nachts, aber auch das Team im BBW-Internat ist da eine tolle Unterstützung. Ich kann mittlerweile mein Leben und meine Ausbildung recht gut meistern und auch genießen. Beim Fußballspielen kriege ich meinen Kopf frei und kann die Epilepsie auch mal vergessen.“

Gemeinsam die Ausbildung schaffen

B. Sandmeyer, stellvertretende Pflegedienstleitung: „In der Stiftung ICP München arbeitet der Pflegedienst sehr eng mit dem Ärzte-, Fachdienst- und Ausbilderteam zusammen. Gemeinsam besprechen wir, bis zu welchem Grad der Erkrankung eine Ausbildung bei uns realisierbar ist bzw. versuchen mit den Betroffenen Strategien zu entwickeln, die in den Therapien, in Arztvisiten oder im Pflegeteam erarbeitet werden. Zusätzlich steht das BBW-Team im regelmäßigen Austausch mit der Epilepsieberatung München. Sie berät uns und die Auszubildenden u.a. bei der individuellen Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz. Alle Mitarbeitenden kennen die interne Notfallnummer und können eine Epilepsieschulung von uns erhalten.
Kommt es zu einem epileptischen Anfall im ICP, wird immer sofort der Pflegedienst hinzugezogen. Wir betreuen und versorgen dann den Betroffenen bzw. die Betroffene, bei Bedarf kommt noch eine anwesende Ärztin dazu. Wie Samuel bereits beschrieben hat, kennen die meisten jungen Menschen sich mit ihrer Epilepsie gut aus. Sie merken vor dem Anfall eine Veränderung in ihrem Körper, die wir als Aura bezeichnen. Diese Aura gibt den Betroffenen etwas Zeit, sich und ihr Umfeld auf den Anfall vorzubereiten. Da wir ein verhältnismäßig kleines BBW sind, kennen wir mit der Zeit die Anfallsmuster und möglichen Trigger der Auszubildenden gut und können schnell handeln bzw. präventive Maßnahmen erarbeiten. Ich erinnere mich an eine junge Person, die Anfälle manchmal verhindern konnte, indem sie mit uns über Backrezepte sprach.“

Was tun bei einem epileptischen Anfall?
Frau Sandmeyer
: „Sollten Sie einen epileptischen Anfall miterleben, ist es wichtig, die Person nicht alleine zu lassen. Schauen Sie auf die Uhr, denn die meisten Anfälle dauern ein bis zwei Minuten und hören von allein auf. Sprechen Sie ruhig mit der epileptischen Person. Versuchen Sie, sie vor Verletzungen zu schützen, z.B. den Kopf abpolstern oder gefährliche Gegenstände außer Reichweite bringen. Wenn möglich, schirmen Sie sie etwas ab, denn durch abwertende Kommentare können sich die Betroffenen noch hilfloser fühlen. Ganz wichtig ist auch, dass Sie sich selbst nicht in Gefahr begeben. Viele entfalten im Anfall eine unglaubliche Kraft und können ihre Muskelreflexe nicht beeinflussen. Halten Sie daher die Person auf keinem Fall fest oder geben Sie die Hand. Sollte der Anfall länger als 5 Minuten dauern, rufen Sie den Rettungsdienst.“

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